Noch immer droht das nächste Berliner Schloss

Liebe Unterstützerinnen und Unterstützer,

wir haben in den vergangenen Wochen viele Gespräche geführt; nicht nur beim „Dialogverfahren" im Kronprinzenpalais am 3.5.2017, sondern auch davor und danach. Wir wollen euch im Folgenden einen kurzen Zwischenbericht geben.

Zunächst wollen wir uns für die enorme Unterstützung bedanken, mit der unsere 10 Thesen aufgenommen und weitergetragen wurden! Seit sie am 20.3.2017 in der FAZ veröffentlicht wurden, haben sich über 100 UnterstützerInnen unseren Forderungen angeschlossen. Die vielen, teils sehr ausführlichen Rückmeldungen haben uns gezeigt, dass es ein großes Bedürfnis gibt das Projekt einer Neuen Bauakademie kritisch zu begleiten. Im Vorfeld zum letzten „Dialogforum" der Bundesstiftung Baukultur hatten wir zehn Statements aus dem Kreis unserer UnterstützerInnen auf unserer Facebook-Seite und auf unserer Webseite www.neuebauakademie.de veröffentlicht.

Wir werten es als Erfolg unserer Initiative, dass die Bundesstiftung Baukultur uns als Teilnehmer zum „Szenarienforum" am 3.5.2017 eingeladen hatte. Für Missverständnisse sorgte allerdings die Ankündigung wir würden dort ein „Szenario Nutzungsoffenheit" diskutieren und dann mit den Gästen an unserem Tisch auch gleich noch entsprechende Quadratmeterzahlen für verschiedene Nutzungen auf den historischen Grundrissen von Schinkels Bauakademie einzeichnen können. Wir haben stattdessen versucht die ergebnisoffene Diskussion über die Neue Bauakademie voranzutreiben.

Die offenen Fragen

Auch nach dem Ende dieses dreiteiligen Dialogverfahrens sind für uns die zentralen Fragen weiter unbeantwortet:
Welches Programm wird in einer Neuen Bauakademie stattfinden?
Welche inhaltlichen Ziele hat eine solche neue Einrichtung und in welchem Verhältnis steht sie zu den bereits vorhandenen Akteuren in Berlin, in Deutschland und international, die den lebendigen Diskurs zu den Themen Stadt und Architektur bereits seit Jahrzehnten lebhaft betreiben?
Wer wird in welcher Form und mit welchen finanziellen Mitteln für den Betrieb zuständig und verantwortlich sein?
Wird es eine Gesamtintendanz dieses neuen Hauses geben oder wird es ein „Gemischtwarenladen" verschiedener bereits bestehender Institutionen?

Wie wir es bereits in unseren 10 Thesen formuliert hatten: Erst wenn diese inhaltlichen Fragen überzeugend beantwortet sind, kann eine Diskussion über die Hülle, in der dieses zu leisten wäre, sinnvoll geführt werden. Erst dann könnte die stets so übermächtig im Raum stehende Frage, „wie viel Schinkel" es denn werden sollte, müsste oder könnte, überhaupt schlüssig beantwortet werden.

Der aktuelle Stand

Spannender als diese drei Veranstaltungen waren die Gespräche, die wir in den letzten Wochen und auch nach dem 3.5.2017 noch mit Vertretern des BMUB geführt haben. Daraus ergab sich folgendes Bild:

1. Die Neue Bauakademie wird keine neue, unabhängige Institution. Stattdessen zeichnet sich ein Nutzungsmix aus drei Bausteinen ab: Erstens möchte der Bund das Gebäude als „Schaufenster" für die Arbeit des BMUB, des Auswärtigen Amts und für das Deutsche Archäologische Institut (DAI) evtl. in Kombination noch mit dem Goethe-Institut nutzen. Zweitens soll das Land Berlin auch nach der Rückübertragung des Grundstücks an den Bund weiter als Nutzer beteiligt werden, wahrscheinlich mit der TU Berlin, die über den Hochschulrahmenvertrag sogar eigene Mittel einbringen könnte. Zum Dritten sollen kommerzielle Einrichtungen helfen, die Betriebs- und Programmkosten zu finanzieren. Über eine Generalintendanz wird zwar nachgedacht, allerdings soll diese eher koordinieren und organisieren statt für ein unabhängiges, inhaltliches Profil und eine Verbindung zu all den anderen Berliner Akteuren zu sorgen, die in dieser Konzeption nicht auftauchen.

2. Der Haushaltsausschuss des Bundestages hat 62 Millionen Euro für eine „Wiedererrichtung" der Bauakademie beschlossen. Zwar sprach Staatssekretär Florian Pronold, mit dem wir uns am 4.5.2017 zu einem ausführlichen Gedankenaustausch getroffen hatten, gegenüber der dpa am 12.5.2017 von einem mehrstufigen Verfahren, in dem zunächst „Ideen" für das Projekt gesucht werden sollen bevor ein Realisierungswettbewerb folgt. Aber welche Spielräume bleiben für ein solches Verfahren? Denn er sagt gleichzeitig: "Wir wollen so viel Schinkel wie möglich. Das bezieht sich nicht nur auf das Gebäude. Auch das Innere soll vom Geist Schinkels inspiriert sein, der wie kein anderer für den Beginn der Moderne in der Architektur steht." (laut Berliner Morgenpost: http://bit.ly/2pMsHSY)

Zwischenbilanz

Damit scheint alles darauf hinzudeuten, dass die meisten unserer Befürchtungen eintreten. Trotz aller Beteuerungen werden die Fehler des Humboldtforums wiederholt: Ein historisches Gebäude wird wieder aufgebaut, das im Inneren einen Gemischtwarenladen anbietet, der sich alleine aus einer politisch-wirtschaftlichen Proporz-Rechnung ergeben hat und der räumlich irgendwie in das historische Gebäude eingepasst werden muss. Die Neue Bauakademie wird kein Experiment und sie wird auch nicht die vorhandenen Erkenntnisse aus vorherigen Rekonstruktionsprojekten nut-zen. Sie wird damit ihrem mutigen historischen Vorbild nicht gerecht. Auch die einmalige Chance, mit diesem Projekt in der Mitte Berlins einen wirklich neuen, lebendigen Ort der Wissensvermittlung zu Architektur und Stadt zu schaffen, wird verschenkt. Eine Institution mit internationaler Strahlkraft wird auf diese Weise nicht entstehen.

Zusammenfassend haben wir in den letzten zwei Monaten noch nicht viel erreicht; vielleicht hat unsere Initiative aber bereits dazu beitragen können, sowohl einen übereilten Wettbewerb noch vor der parlamentarischen Sommerpause zu verhindern, als auch die Ideen einer unabhängigen Institution/Intendanz sowie einer Verbindung zu oder eines dringend gebotenen Austauschs mit den Akteuren in Berlin und Deutschland in der Diskussion nach vorne zu bringen. Wir glauben weiterhin daran, dass eine „Neue Bauakademie" nur erfolgreich sein kann, wenn sie unabhängig ist und wenn ihre Inhalte und ihre Trägerschaft zumindest ansatzweise geklärt sind, bevor über ihr architektonisches Äußeres entschieden wird. Alles andere wäre nur ein zweites Berliner Schloss. Wir glauben insofern weiter daran, dass die 10 Thesen zu einer Neuen Bauakade-mie weiter relevant sind und werden versuchen, Einfluss auf dieses Verfahren zu gewinnen.

Wir freuen uns über Rückmeldungen, Statements, Austausch sowie weitere UnterstützerInnen.

Oliver Elser / Florian Heilmeyer / Ulrich Müller
Berlin und Frankfurt/Main, 15.5.2017